Staat

Flagge

Die tunesische Flagge, die 1835 durch den Bey Hassan I. eingeführt wurde, zeigt einen roten Halbmond und Stern in einem weißen Kreis auf rotem Grund. Sie erinnert an die türkische Flagge, von der sie sich nur durch den weißen Kreis unterscheidet. Dies ist ein Verweis darauf, dass Tunesien früher Teil des Osmanischen Reiches war. Halbmond und Stern stehen für den Islam, Rot symbolisiert das Blut der Märtyrer und Weiß den Frieden. 

Das tunesische Wappen 

Das Staatswappen ist dreigeteilt und zeigt eine Waage, einen Löwen, der ein Schwert trägt, und eine punische Galeere. Diese symbolisieren das Motto des Staates „Ordnung, Freiheit, Gerechtigkeit“, das auf Arabisch den Schild ziert. Über dem Schild befindet sich ein Kreis mit Halbmond und Stern in Weiß und Rot. Das Wappen wurde mit der Unabhängigkeit 1956 angenommen und seitdem nur geringfügig verändert. 

Die Nationalhymne 

Die tunesische Nationalhymne Humat al-Hima (Verteidiger des Vaterlands), deren Refrain aus einem Gedicht des „Nationaldichters“ Abou El-Kacem El-Chebbi stammt, wurde seit dem Ende der Monarchie in Tunesien 1957 bis zur Auswahl der neuen Hymne Ala Khallidi 1958 als provisorische Nationalhymne genutzt. Zine El-Abidine Ben Ali erklärte Humat al-Hima nach seinem Staatsstreich 1987 erneut zur offiziellen Nationalhymne, da Ala Khallidi sich offen auf seinen Vorgänger Habib

Bourguiba bezog. Während der Regierungszeit Ben Alis nur zu offiziellen Anlässen gespielt wurde Humat El-Hima, die die Befreiung des Landes von seinen Unterdrückern besingt, während der Revolution im Januar 2011 zu einem der am häufigsten gesungenen Lieder der Demonstranten. 

Jasmin 

Jasmin ist die Nationalblume Tunesiens. Sie wächst im ganzen Land, und ihre duftenden Blüten werden im Sommer an jeder Straßenecke verkauft. Sie werden traditionell von Männern zu Sträußen gebunden hinterm Ohr und von Frauen als Ketten getragen. Die Revolte im Januar 2011 wird vor allem in europäischen Medien oft als Jasminrevolution bezeichnet. Dieser Begriff ist problematisch, da Zine El Abidine Ben Ali diesen Begriff ursprünglich für seine Absetzung Habib Bourguibas 1987 wählte. Für diesen «medizinischen Staatsstreich» setzten sich in Tunesien in der Folge aber die Bezeichnungen „changement“, „7.November“ oder schlicht „1987“ durch, der Begriff Jasminrevolution wurde nicht benutzt.

Staat 

Tunesiens strategisch günstige Lage hat dem Land eine reiche, wechselvolle Geschichte beschert. Seit der Antike ist das Land ein wichtiger Handelsstützpunkt und zugleich Schauplatz kriegerischer Auseinandersetzungen. Aufgrund seiner Lage und dem Aufeinanderfolgen wichtiger Zivilisationen besitzt das Land viele kulturhistorisch wichtige Stätten. 


Tag der Unabhängigkeit 20. März 1956 
Staatsoberhaupt Kais Saïed 
Regierungschef Hichem Mechichi 
Politisches System semipräsidentiell 
Demokratie Status-Index (BTI) Rang 49 (von 137) (2020) 
Korruptionsindex (CPI) Rang 74 (von 180) (2019) 

Die Texte stammen vom Länderportal der GIZ, welches vom Netz genommen ist. Verfasser ist Sarah Mersch, freie Journalistin und Trainerin. Sie arbeitet unter anderem für verschiedene ARD Anstalten, die Deutsche Welle und Online- und Printmedien. Die Urheber wurden soweit möglich informiert, dass auf meiner Tourismusseite zu Tunesien die Inhalte veröffentlicht werden.

Formaler Staatsaufbau 

Tunesien ist in 24 Gouvernorate unterteilt. Die Regierung Ben Ali hatte seit 1989 die Dezentralisierung der Verwaltung vorangetrieben, dabei allerdings Doppelstrukturen geschaffen, die die Kontrolle der lokalen Behörden durch das Innenministerium gewährleisteten. Die neue Verfassung sieht eine Dezentralisierung und größere finanzielle Unabhängigkeit der Regionen vor. Mit den ersten freien Kommunalwahlen in der Geschichte des Landes im Mai 2018 und einem Gesetz zur Umstrukturierung der Gebietskörperschaften wurden erste Schritte dafür unternommen.  

Verfassung und Gewaltenteilung 

Die neue Verfassung, die am 26. Januar 2014 verabschiedet wurde, führt ein semipräsidentielles System ein. Die neue Staatsform soll garantieren, dass weder der Präsident noch das Parlament zu viel Macht erlangen und demokratische Strukturen außer Kraft setzen kann. Die Verfassung der 2. Republik garantiert durch eine stärkere Gewaltenteilung und die Einrichtung eines Verfassungsgerichtshofs eine bessere Kontrolle der verschiedenen Gewalten. Außerdem wurde die Gleichstellung von Frauen festgeschrieben. Sie sollen zudem politisch gestärkt werden, indem auch bei Kommunalwahlen eine paritätische Listenbesetzung eingeführt wird. Heftige Auseinandersetzungen gab es bei der Debatte über die Rolle, die die Religion zukünftig spielen soll. Schließlich einigten sich die Abgeordneten auf eine oft schizophrenen Text, der sowohl den zivilen Charakter des Staates sowie Glaubens- und Gewissensfreiheit garantiert als auch den Schutz des Heiligen festschreibt. 

Die Verfassung ist seit ihrer Verabschiedung in Kraft, allerdings wurden noch nicht alle in vorgesehenen Organe gegründet, wie zum Beispiel das Verfassungsgericht. Die Anpassung der tunesischen Gesetzestexte an die neue Verfassung wird eine der wichtigsten Aufgaben des neuen Parlaments für die neue, fünfjährige Legislaturperiode (2014-2019) darstellen.  Mehr als zwei Jahre, statt wie ursprünglich vorgesehen ein Jahr, benötigte die Versammlung, um den Text fertigzustellen und zu verabschieden – kritisch beäugt von der Nichtregierungsorganisation Al Bawsala. Im Juni 2013 stellte die Verfassungsgebende Versammlung einen vierten und endgültigen Entwurf vor. Dieser sollte ab Juli von den Abgeordneten diskutiert werden – allerdings fand nur eine allgemeine Debatte des Entwurfs statt, bevor durch den Mord an Mohamed Brahmi die politische Krise erneut verschärft wurde und die Arbeit der Versammlung zunächst ausgesetzt wurde. Erst nach monatelanger Verhandlungen und dem Rücktritt der Regierung Ali Larayedhs stimmte die Verfassungsversammlung im Januar 2014 über die Verfassung ab.

Die frühere tunesische Verfassung stammt aus dem Jahr 1959 und wurde seit Inkrafttreten mehrfach verändert. Theoretisch waren auch nach dem alten Text Legislative, Exekutive und Judikative unabhängig. Allerdings hatte der Präsident als Regierungschef, Staatschef und Oberbefehlshaber weitgehende Rechte und kontrollierte (mit Hilfe des Geheimdienstes und der Polizei) de facto alle drei Bereiche. 

Wahlen 

Nachdem die Wahlen unter der Diktatur regelmäßig manipuliert waren, finden seit 2011 zum ersten Mal weitgehend transparente Wahlen statt – zunächst die Wahl zur Verfassungsgebenden Versammlung im Oktober 2011, danach die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen 2014 (s.u.). Zuständig für die Organisation der Wahlen ist die Hohe Unabhängige Instanz für die Wahlen (ISIE). 

Für die Wahlen zur Verfassunggebenden Versammlung wurde ein neues Wahlrecht erarbeitet. Es handelt sich um ein Verhältniswahlrecht und sieht außerdem eine vertikale paritätische Listenbesetzung vor. Dieses Verfahren wurde auch 2014 angewandt. Mitglieder der Polizei und des Militärs durften bis einschließlich der Wahlen 2014 in Tunesien nicht wählen. Bei den Kommunalwahlen 2018 haben sie zum ersten Mal Wahlrecht erhalten. Jedoch machte nur eine Minderheit davon Gebrauch. 

Anteil alphabetisierte Erwachsene 74% 
Bedeutende Religionen Islam (Sunni, mehr als 95%) 
Städtische Bevölkerung 67% 
Lebenserwartung 74 (m) / 78 (w) Jahre 
Gender Inequality Index 63 (von 162) (2018) 

Anzahl der Geburten 2,31 / Frau (2016) 

Kindersterblichkeit 

22 / 1000 Lebendgeburten 

Makrosoziale Struktur 

Die tunesische Gesellschaft mit ihren rund 11 Mio. Einwohnern ist relativ homogen. Stammesstrukturen spielen kaum eine Rolle und Muslime sind mit 98% in der überwiegenden Mehrheit, so dass auch inter-religiöse Spannungen in Tunesien kein großes Thema sind. Gut die Hälfte der Bevölkerung ist jünger als 30 Jahre, wobei allerdings eine Alterung der Gesellschaft zu beobachten ist. Dies ist auf verschiedene Faktoren zurückzuführen. Zum einen steigt die Lebenserwartung kontinuierlich an und liegt derzeit bei 74 Jahren. Tunesien hat außerdem eine der

niedrigsten Geburtenraten im arabischen Raum: eine Tunesierin bekommt im Durchschnitt 2,31 Kinder. 

Regionalismus und Stadt-Land-Verhältnis 

Die tunesische Revolution hat die öffentliche Aufmerksamkeit auf massive regionale Spannungen und das Ungleichgewicht zwischen den verschiedenen Regionen des Landes gelenkt. Rund zwei Drittel der Tunesier leben in Städten. Die wichtigsten Wirtschaftszentren liegen an der Küste. Das Landesinnere ist weit weniger entwickelt und die Wirtschaftskraft niedriger. Dieses Ungleichgewicht führte in der Vergangenheit zu massiven sozialen Spannungen und einer regelrechten Landflucht. Insbesondere die Hauptstadt Tunis bekam dies mit der Ankunft einer relativ mittellosen Landbevölkerung, die sich vor allem in den 1960er und 1970er Jahren in zunächst illegalen Siedlungen am Stadtrand niederließen, zu spüren. Diese Siedlungen wurden ceinture rouge, roter Gürtel, genannt, da sie die Stadt einkreisten. Inzwischen wurden diesen Siedlungen offizieller Status verliehen, sie bleiben aber oft soziale Brennpunkte. 

Während Habib Bourguiba mit Verweis auf die gerade gewonnene Unabhängigkeit eine uniforme tunesische Identität schaffen wollte, indem er Stammesstrukturen unterdrückte und ethnische Minderheiten marginalisierte, ist nach der Revolution ein vorsichtiges erneutes Aufleben zu spüren. So fordert zum Beispiel die in Südtunesien lebende Berber-Minderheit die Anerkennung ihrer Sprache ein und stellt offen die amazighische Flagge zur Schau. Auf dem Land sind die Traditionen noch präsenter, gerade ältere Frauen tragen oft Berbertracht und sind noch tätowiert.  

Soziale Lage und Soziale Klassen 

Fast ein Viertel der Bevölkerung lebt in Armut. Nichtsdestotrotz verfügt das Land über eine relativ breite, weit definierte Mittelschicht aus selbständigen Kleinunternehmern, Angestellten und Beamten (deren Einkommen vergleichsweise niedrig ist) und einer schmalen Oberschicht. Diese spaltet sich in alteingesessenes Bildungsbürgertum und ökonomische Elite. Ein wesentliches Distinktionsmerkmal ist in dieser Hinsicht die Sprache. So spricht die bürgerliche Oberschicht oft mehr und besser französisch als arabisch, was oft der Tatsache geschuldet ist, dass die privaten französischen Schulen eine meistens bessere Ausbildung bieten als staatliche Schulen. Gerade bei jüngeren Leute die nicht aus dem klassischen Bildungsbürgertum stammen verliert das Französische jedoch zunehmend an Bedeutung, während Englisch immer wichtiger wird. 

Vor allem in den Armenvierteln der Großstädte, aber auch in verarmten Regionen des Landesinneren nimmt die Frustration und Perspektivlosigkeit unter Jugendlichen zu. Selbstverbrennungen nehmen seit 2011 stark zu. Die Anzahl irregulärer Fluchtversuche über das Mittelmeer nach Europa war 2017 so hoch wie seit 2011 nicht mehr. Zwei Drittel der Migranten sind zwischen 20 und 30 Jahren alt, so eine Studie des FTDES. Durch die Verschärfung der Wirtschaftskrise durch die Corona-Pandemie stiegen die Migrationszahlen 2020 erneut an.